In einer Zeit in der die EU durch die Harmonisierung der E-Rechnungsprozesse einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung und Betrugsbekämpfung leisten möchte, setzen zahlreiche Mitgliedstaaten nationale Systeme auf Basis des europäischen Standards EN 16931 um. Die Richtlinie 2014/55/EU schreibt seit dem 16. April 2019 vor, dass öffentliche Auftraggeber strukturierte E-Rechnungen nach EN 16931 empfangen und verarbeiten müssen. Jeder Staat hat den Bedingungsrahmen dazu unterschiedlich ausgelegt und eigene Portale etabliert um den Datenaustausch rechtskonform, transparent und möglichst effizient zu gestalten.

Frankreich

In Frankreich ist die E-Rechnung für Lieferanten öffentlicher Stellen (B2G) seit Januar 2020 verpflichtend. Alle Rechnungen an öffentliche Auftraggeber müssen über das zentrale Portal Chorus Pro eingereicht werden. Ab 1. September 2026 wird das System auf Unternehmen (B2B) ausgeweitet: Große und mittlere Betriebe müssen dann nicht nur E-Rechnungen empfangen, sondern auch ausstellen und gleichzeitig eine E-Reporting-Pflicht an die Finanzbehörde erfüllen.

Italien

Italien gilt als Vorreiter in Europa: Die obligatorische E-Rechnung für B2G-Transaktionen begann bereits im Juni 2014, und seit dem 1. Januar 2019 sind auch sämtliche B2B- und B2C-Rechnungen verpflichtend über das „Sistema di Interscambio“ (SdI) im Format FatturaPA einzureichen. Durch den zentralen Clearing-Mechanismus werden Eingabefehler nahezu eliminiert und Bearbeitungszeiten drastisch verkürzt, was zu einer deutlich verbesserten Steuer-Compliance beiträgt.

Spanien

Spanien führte die E-Rechnung im öffentlichen Sektor (B2G) am 15. Januar 2015 ein. Das Portal FACe („Punto General de Entrada de Facturas Electrónicas“) dient seither als zentrale Anlaufstelle für alle E-Rechnungen über 5.000 € an Regierungsstellen. Mittlerweile werden jährlich über 12 Mio. Rechnungen über FACe abgewickelt. Die Ausweitung auf B2B-Rechnungen erfolgt schrittweise im Rahmen des Gesetzes 18/2022 („Crea y Crece“), mit der offiziellen technischen Regulierung, deren Veröffentlichung für 2024 erwartet wird, und einer gestaffelten Einführung während 2025/2026.

 

 

Positive Effekte und Fortschritte

  • Zeit- und Kosteneinsparungen für KMU: Laut Sage-Studie können kleine und mittlere Unternehmen durch E-Rechnung jährlich rund 13.500 € einsparen, da sich der Zeitaufwand für die Rechnungsbearbeitung nahezu halbiert.
  • Reduzierte Zahlungsverzögerungen: In Spanien und Frankreich führt die Automatisierung zu schnelleren Zahlungseingängen und weniger Mahnzyklen.
  • Verbesserte Transparenz und Compliance: Zentralisierte Clearing-Mechanismen wie in Italien erhöhen die Genauigkeit und Vollständigkeit der Daten im order-to-cash-Prozess.

Defizite und Herausforderungen

  • Fragmentierte Interoperabilität
    Unterschiedliche nationale Formate, Übertragungswege und Validierungsregeln erschweren den grenzüberschreitenden Datenaustausch enorm. Unternehmen müssen oft mehrere Schnittstellen parallel betreiben oder externe Dienstleister beauftragen.
  • Ressourcenknappheit bei KMU
    Für viele kleine und mittlere Betriebe ist der technische und personelle Aufwand, bestehende ERP- und Buchhaltungssysteme an neue E-Invoicing-Portale anzubinden, die größte Herausforderung: 55 % der KMU sehen die Integration in ihre bisherigen Systeme als Haupthürde.
  • Rechtliche Unsicherheiten
    Unterschiedliche Aufbewahrungsfristen (z. B. 5 Jahre in Spanien vs. 10 Jahre in Frankreich), variierende elektronische Signaturanforderungen und abweichende Meldefristen bringen Rechtsrisiken, wenn Unternehmen grenzüberschreitend tätig sind.

 

Fazit

Der Blick auf Frankreich, Italien und Spanien zeigt, dass E-Rechnung bereits zentrale Prozesse digitalisiert, Transparenz geschaffen und die Effizienz gesteigert hat. Zugleich belegt ein EU-Bericht, dass die Harmonisierung technischer Anforderungen durch Richtlinie 2014/55/EU einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung von Binnenmarktbarrieren und zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Interoperabilität geleistet hat. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, muss die EU-Harmonisierung weiter vertieft werden: Ein verbindliches PEPPOL-Framework, praxisnahe Begleitmaßnahmen für KMU sowie ein EU-weiter Helpdesk und Schulungsprogramme könnten die bisher verbleibenden Hürden abbauen und die digitale Transformation aller Mitgliedstaaten vorantreiben.

 

Links / Quellen:

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